Anlässlich der diesjährigen Diözesanjungschützenwallfahrt am 13.04.2024, die durch die beyenburger Schützenbruderschaft organisiert wurde und in der Bruder Dirk König und Präsens ist, wurde eine Wallfahrt durch den Ort veranstaltet. Das Thema war die Flut 2021 und ihre Bedeutung. Zu dieser Wallfahrt wurde ein Text verfasst, der nun hier veröffentlicht wird:
Wasser ist das Element des Lebens, so sagt man es zu mindestens hin und wieder. Doch Wasser ist auch eine Urgewalt, die eine immense Kraft zur Zerstörung besitzt. Schon in der Bibel, genauer im Alten Testament, wurde diese Kraft dargestellt. Als die Sintflut über die Menschen hereinbricht, verwüstet sie die gesamte Welt und nur die Lebewesen, die Noah und seine Frau Haikal mit auf ihre Arche nehmen, überleben. Wie ihr bereits gesehen und gehört habt, hat uns hier auch eine Flut getroffen, nicht so stark wie damals, aber auch hier wurde einiges zerstört. Und nicht nur hier, sondern an vielen Orten auf dieser Welt, passieren immer wieder Katastrophen, ausgelöst durch Naturgewalten, wie das Wasser eine ist. Und wie ihr alle sicherlich wisst, haben wir Menschen auch unseren, nicht gerade kleinen Anteil, daran. Und auch andere Fluten brechen tagtäglich über uns herein: eine Flut an Informationen, in denen wir nur schwer die Wahrheit erkennen, eine Flut von Bildern aus aller Welt, auf denen unsere Mitmenschen leiden und kämpfen, eine Flut von Teilhabemöglichkeiten am Leben anderer, über soziale Medien wie Instagram, TikTok und Snapchat, die uns den Eindruck vermitteln, wir wären diesen Menschen ganz nah. All diese Fluten verunsichern uns, sorgen manchmal dafür, dass wir uns allein fühlen oder nicht richtig fühlen, weil es in dieser Flut schwerfällt, den Überblick zu behalten; zu erkennen, was nun wahr und richtig ist und wer uns ein wirklicher Freund ist und wer uns nur, durch diese Nähe, als solcher erscheint.
Doch auch wenn dieses Szenario der Zerstörung, diese Drohkulisse einer Sintflut, erstmal den Eindruck erweckt, sie würde uns überrollen, brauchen wir keine Angst zu haben. Genau wie dieser Ort hier können wir diese Fluten überstehen und gestärkt aus ihnen wieder auftauchen. Wie das der Text an diesem Kreuz hier sagt, ist dieser Ort auf Fels gebaut, er hat ein Fundament, an dem jede noch so starke Flut zerschellt. Die Gemeinde hat in der Katastrophe neuen Mut und Kraft gefunden, allen Schutt zu beseitigen, das, was verloren gegangen ist, zu ersetzen und alles wieder aufzubauen. Zum Teil sogar schöner und besser als zuvor. Und auch wir, als einzelne Menschen, können die Fluten überstehen, wenn wir standhaft bleiben und an unser Fundament glauben.
Nun da stellt sich jetzt die Frage, was ist denn unser Fundament?
Es ist das Vertrauen an uns selbst und an unseren Mitmenschen, der uns beisteht in der Not und die Möglichkeiten, die sich aus der Zerstörung ergeben. Das klingt zugeben noch ein wenig abstrakt, deswegen lasst mich es noch weiter ausführen.
Wir alle erleben die Welt durch unsere eigenen Augen. Wir nehmen alle eine einzigartige Perspektive ein, die nur wir allein kennen und in der uns die Welt so erscheint, als wäre sie, um uns herum aufgebaut. Unsere Mitmenschen erscheinen uns in dieser Welt als „Andere“, die wir nicht so gut kennen, wie wir uns selbst kennen können. Wie man bekanntlich sagt, können wir ihnen nur vor den Kopf schauen und nicht in ihn hinein. Wir wissen nicht, wie er oder sie sich fühlt, was unser Gegenüber denkt. Diese Tatsache verleitet schnell dazu, den anderen zu vergessen und nur noch uns selbst in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen. Den anderen können wir schließlich nie wirklich verstehen, von uns selbst hingegen wissen wir alles. Es ist einfach, nur das zu tun, was man selbst für richtig hält und den anderen dabei zu ignorieren, nach dem Motto: „Jeder ist sich selbst der Nächste.“ Hätten wir hier in der Flut so gehandelt, hätten wir wenig erreicht. Der einzelne wäre überrumpelt worden von all der Arbeit und der Belastung durch diese Extremsituation. Nur durch die Gemeinschaft konnte diese Flut überstanden werden und auch die anderen Fluten, die uns bedrohen, können nur gemeinsam gemeistert werden. Und wenn wir es genauer betrachten, ist diese Tatsache, dass sich jeder selbst am nächsten ist, gar nicht so klar, wie es zunächst scheint. Denn wie euch vielleicht aufgefallen ist, habe ich die ganze Zeit von einem „Wir“ gesprochen. Diese Tatsache ist eine, die wir alle teilen; wir wissen nicht, was der andere denkt, aber der andere weiß auch nicht, was wir denken. In dieser Gemeinsamkeit liegt etwas, dass uns alle verbinden kann, der Versuch den anderen verstehen zu wollen und auf ihn zuzugehen. Das ist es, was Jesus auch meint, wenn er von der Nächstenliebe spricht: Wir können den anderen lieben, wenn wir erkennen, dass er uns gleich ist, und zwar darin ein Mensch, ein Mitmensch zu sein. Jemand, der genauso unsicher und angsterfüllt sein kann, wie wir selbst. Und diese Gemeinsamkeit kann uns dann die Kraft geben, uns unserer Angst gemeinsam zu stellen und sie zu besiegen, etwas zu leisten, was wir allein nie könnten.
Unsere Bruderschaften können ein Beispiel dafür sein, wie eine gelebte Gemeinschaft aussehen kann und die Flut und ihre Bewältigung ein Beweis für das, was eine solche Gemeinschaft vollbringen kann, wenn jedes einzelne „Ich“ sich als ein Teil des „Wir“ begreift.
Text von Phil Hückesfeld
Bildinformationen:
Privataufnahme aus Beyenburg 2021