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Fluch und Segen - Digitalisierung

Digitalisierung ginge menschlicher

 Blog 03 Digitalisierung 

EHRLICH. Mit höher, schneller, weiter sind wir ganz schön weit gekommen. Die viel gepriesene Globalisierung hatte doch unsere Möglichkeiten zum Wachstum und zur Erzielung höherer Gewinne quasi grenzenlos gemacht. Der Bewertungsmaßstab war ja auch ganz einfach: Mehr, noch mehr, und noch mehr. Dazu passt die Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens. Immer bessere Datenbanken wissen mehr über uns, als wir selbst, und lässt von uns bei  konsequenter Nutzung nichts mehr  übrig. Es wird Luxus sein, tatsächliche Bedürfnisse überhaupt noch zu erkennen oder angemessen zu befriedigen. Wenn es uns nicht gelingt, die Digitalisierung zu vermenschlichen, was bedeutet, die Menschen nicht im Prozess zu vergessen, sondern abzuholen, und zwar da wo sie stehen, wird der Prozess der Digitalisierung alle Nichtteilnehmer quasi ins Altersheim verbannen via Datensatz. So wie Oma nicht mehr mitkam, als die Flugzeuge quasi zum Vergnügen die Menschen in den Wochenausflug brachten, stehen wir fassungslos vor der Geschwindigkeit, wie die Digitalisierung unsere Welt verändert. Gerade bin ich mit dem Fahrzeug quer durch Frankreich gefahren und habe dabei am eigenen Leibe erlebt, was die Digitalisierung konkret mit uns macht. Wir bekommen Diesel nur mit  digitaler Zahlung. Wir können die Autobahn nur mit digitaler Maut-Zahlung benutzen, die netten Leute in den Maut-Häuschen zum Kassieren gibt es erst wieder in Spanien. Und bei Hunger sieht es da nicht anders aus. Ich hatte nach 10-stündiger Fahrt im Dauerregen so einen Hunger, dass ich ein voll besuchtes Burger King Restaurant aufsuchte. Endlich am Counter angekommen, wollte ich einen Burger bestellen. Das Mädchen LÄCHELTE, zuckte aber mit den Achseln und zeigte auf die digitalen Orderautomaten in meinem Rücken. Dort könnte ich alles digital ORDERN, das sagte sie aber nicht, sondern sie zeigte nur immer wieder dorthin. Persönlich ginge nicht zu bestellen, auch "mein Schatz, ich habe Hunger", hat leider wenig ausgerichtet. Jetzt wurde es aber wirklich interessant. Ich stand in der Schlange und vor mir waren drei junge Leute, zwei junge Männer ca. 18 Jahre alt mit einem jungen Mädchen, vielleicht 12 Jahre alt. Die beiden Jungs waren wohl auch schon zu alt oder noch nicht so erfahren an diesem Counter in der Bedienung des Programms und tippten sich fröhlich durch das Menü. Immer wenn sie nicht weiter wussten, und das kam einige Male vor, sprang das ganz junge Mädchen ein und begann  mit schnellem Tastendrücken dem Gerät neue Funktionen zu entlocken und das Menü zusammenstellen. Es gab eine riesige Menü-Auswahl mit Mini und  Maxi Menü, Ketchup, Majo und Saucen sowie 20 Kaffee Versionen, ganz zu schweigen von den Sondervereinbarungen, die man genießen kann, wenn man spezielle Kombination dieser Tasten drückt. Das Mädchen war wirklich glücklich, den Jungs zu zeigen, wie das funktioniert. Ich war dann weniger glücklich, weil ich habe volle 20 Minuten hinter den Beiden an dem Counter gestanden und fasziniert zugeschaut und mein Magen knurrte immer mehr. Ich kam mir vor wie in Las Vegas in der Spielhalle. Als die Drei fertig waren, spuckte der Automat über Druckoption   Abholzettel für 64 Euro für die drei jungen Leute und die gingen immer noch lachend zum Tisch, wo die Ware hingebracht wird. Natürlich war es nie die günstigste Version, die sie bekommen haben, sondern das gut kalkulierte Datenbankmenü mit den schönen Bildchen. Sie haben es nicht aufessen können, wie auch. Ich schaffte es, einen einfachen Big King Burger zu bestellen mit Hilfe eines  anderen Kunden zum Tiefstpreisen von 7,99 Euro. Ohne  diese tollen Automaten hätte ich in Deutschland für 4,95 € persönlich bestellen können und mich besser gefühlt. Das Personal sah auch nicht glücklich aus, sondern 30 Leute packte im Akkord wortlos ein. Das eigentlich Schlimme an diesem Erlebnis war aber, dass ich ohne den Mut zum Schalter zu gehen, hungrig aus diesem Restaurant hätte gehen müssen, sozusagen verhungert an der Quelle. Die Franzosen scheinen diese digitale Form der Kommunikation zu lieben. Vielleicht weil sie mehr Spieltrieb haben als wir Deutschen. Hängen geblieben ist bei mir, dass ich durch meine ganze Fahrt durch Frankreich quasi überhaupt kein persönliches Wort mit irgendjemand sprechen konnte und als ich auf einer Tankstelle einen Mann drauf angesprochen habe, sagte er nur System, System. Ich möchte aber gerne weiter mit Menschen sprechen können und ich möchte auch nicht ins Altenheim, weil ich einen Automaten nicht bedienen kann. So schön das auch ist mit dem grenzenlosen Gewinnen, wir müssen die Menschen abholen, sonst sterben sie uns weg. Also Management ran an die Arbeit, sonst habt ihr einen lebenslangen Kaufpreis-Ausfall in der digitalen Datenbank, und das kostet. 


Norbert Wupperfeld  

Alle packen ein und keiner spricht
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